Darf das Christentum wehrhaft sein?

1. Fragestellung.
Bereits ein kurzer Blick in die Kirchengeschichte offenbart einem jeden interessierten Beobachter, dass wohl jedes Jahrhundert bzw. jede Epoche auch ganz spezifische Mängel und Probleme innerhalb der katholischen Kirche und der christlichen Gesellschaft kennt. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von einer Krise, wenn eine konkrete historische Situation vorliegt, in welcher etwas Wesentliches der Glaubenslehre oder -praxis entweder in Frage gestellt oder auf die eine oder andere Art und Weise vielleicht sogar ganz geleugnet wird. Und solche Krisen, die in einem nennenswerten Umfang einen nicht zu geringen Teil der Christenheit getroffen und betroffen haben, gab es (leider) immer und wird es wohl auch weiterhin häufig geben.
Aber wenn man schon über Krisen, welche die Kirchengeschichte kennt, spricht, sollte man bitte auch nicht vergessen zu schauen, ob und gegebenenfalls wie solchen Krisen von der Kirche auch jeweils begegnet bzw. wie sie von der christlichen Gesellschaft “verarbeitet” worden sind. Diese Frage ist, wie wohl jeder intelligente Beobachter erkennen wird, nämlich ebenfalls entscheidend bei der Beurteilung des jeweiligen historischen Ereignisses oder der Epoche. Zur Analyse der Krise gehört auch die Analyse der entsprechenden Reaktion darauf. Und gerade diesen Zusammenhang übersehen, nebenbei bemerkt, die populistischen Kirchenkritiker, von denen es heute so viele gibt, ach so gern, wodurch sie dann ja auch die Geschichte wenigstens teilweise verzerren!
2. Gegen die Gefahren von innen.
So ist es ja heute ziemlich bekannt, dass es z.B. im Mittelalter nicht wenige Missstände und Übel innerhalb der katholischen Kirche gegeben hat. So wären da etwa die Veräußerlichung des religiösen Lebens, der Reichtum, das weltliche Treiben und die Pflichtvergessenheit vieler Geistlicher sowie die Käuflichkeit mancher kirchlicher Ämter (Simonie) zu beklagen. Hinzu wären dann auch “das Fehlen einer eigentlichen Seelsorge, das Aufkommen eines selbstbewussten, demokratisch gesinnten Bürgertums in den Städten Frankreichs und Italiens und dessen Berührung mit der freigeistigen Philosophie und sittlichen Laxheit des Orients infolge der Kreuzzüge”1 zu zählen. Alle diese Übel haben sicher auch unter den anständigen und wohlgesinnten Gläubigen viel Ärgernis erregt und so manchen Schmerz verursacht.
Nun, es regte sich dann aber innerhalb der katholischen Kirche auch ein klarer Widerstand gegen solche schlimmen Missstände! (Denn man darf nicht meinen, es hätte damals nur Missstände in der Kirche gegebene und nicht auch viele anständige und pflichtbewusste Kleriker und Gläubige!) Zunächst wäre da die Cluniazenser Reform des 11./12. Jahrhunderts zu erwähnen (vgl. “Beiträge”/84, “Reform aus der Kirche”, S. 22-26), welche sich zunächst die Erneuerung des klösterlichen Lebens im Geiste der Ordensgründer auf die Fahnen schrieb. Im Zuge dieser Entwicklung entstand nicht nur der strenge Kartäuserorden, dessen Mitglieder gänzlich abgeschieden leben, sondern auch der Orden der Zisterzienser, welcher v.a. unter dem Einfluss des hl. Bernhard einen gewaltigen positiven Einfluss auf das politische wie kirchliche Geschehen jener Zeit gewann. “Bei alledem war es ihm (dem hl. Bernhard - Anm.) aber nicht um die politische Macht der Kirche zu tun, sondern um die geistige Herrschaft des Reiches Gottes auf Erden durch die freie Entfaltung der Kräfte des Glaubens. Bernhard scheute sich auch nicht, Missstände an der päpstlichen Kurie freimütig zu rügen und die geistlichen Kreise vor dem Fortschreiten auf der verweltlichten Bahn zu warnen.” 2 Und so haben dann die von ihm sehr zahlreich neu gegründeten Klöster im damaligen Europa, wie leicht zu erkennen ist, auch einen höchst günstigen Einfluss auf das geistig-moralische Niveau des Weltklerus und der Gläubigen ausgeübt.
Sich darin noch mehr ausgezeichnet haben die im 13. Jahrhundert neu gegründeten Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner. “Sie gehören zu den schönsten Blüten des religiösen Lebens in der katholischen Kirche überhaupt und stellen mit den verwandten Genossenschaften in ihrer Organisation und Verfassung einen neuen Ordenstyp dar. Die Mendikanten- oder Bettelorden verpflichteten nämlich nicht bloß die einzelnen Mitglieder, sondern auch die Klöster selbst zur strengsten Armut, nur das allernotwendigste Besitztum ausgenommen. Ihren Unterhalt erwarben sie sich teils durch Händearbeit, teils, wie ja auch der Name besagt, durch das erbettelte oder aus freien Stücken gespendete Almosen der Gläubigen, denen sie wiederum durch Predigt und Seelsorge (Beichthören) nach Kräften zu dienen versuchten. Sie nahmen deshalb ihren Wohnsitz nicht wie die alten Mönchsorden in abgelegenen Gegenden, auf Bergen und einsamen Tälern, sondern gewöhnlich in den Städten und stützten sich vornehmlich auf das aufstrebende Bürgertum. Sie waren auch nicht wie jene an das Gelübde der Stabilität gebunden und zogen sich nicht von der Welt zurück, sondern wirkten mitten in ihr. In jener Zeit, wo ein großer Teil des Klerus bereits allzusehr in die Güter und Genüsse dieser Welt verstrickt war und die Häresie gefahrdrohend ihr Haupt erhob, leiteten sie durch die Wiederaufnahme des echten Ideals der Nachfolge Christi neue Segensströme in die verweltlichte Christenheit und wurden so zu Hauptträgern einer wahren Reform. ...
Mit großem Eifer warfen sich die neuen Orden auf die vielfach vernachlässigte Seelsorge und milderten die durch die aufkommende Geldwirtschaft eintretenden sozialen Spannungen zwischen arm und reich. Dem Papsttum standen sie als schlagfertige, leichtbewegliche Armee zur Bekämpfung der Häresie, für die Heiden- und Muhammedanermission und zur Durchführung seiner reformatorischen und kirchenpolitischen Ziele und Aufgaben zur Verfügung; sie haben sich auch auf dem Gebiete der kirchlichen Wissenschaft glänzende Verdienste erworben.”3
Und man bedenke in diesem Zusammenhang auch, wie viel Segen speziell über die Kirche durch das Rosenkranzgebet ausgegossen wurde, welches im hl. Dominikus, dem Gründer des Dominikanerordens, seinen eifrigsten Prediger, Förderer und Verbreiter gefunden hat! Beten wir also diesen hl. Rosenkranz, verstärkt im Monat Oktober, ebenfalls in den gegenwärtigen dringenden Anliegen der katholischen Kirche.
Man sieht also, die katholische Kirche hat trotz aller in ihrer Mitte anzutreffenden Übel dann eben auch die Kraft gefunden, dem betreffenden Missstand energisch zu begegnen und die geistigen Erneuerungen einzuleiten. (Vgl. dazu auch den Artikel “Der Investiturstreit”, “Beiträge”/73, S. 23-28.) Sie wehrte sich dabei ausdrücklich auch gegen die gewaltigen Irrtümer und maßlosen Übertreibungen der häretischen Sekten der Waldenser, Katharer und Albigenser, welche in ihrer Abwegigkeit die Kirche als solche und die meisten der Sakramente grundsätzlich ablehnten. Sicher ist dabei nicht immer alles ganz glatt und optimal gelaufen. Aber dies liegt oft nicht etwa am Mangel des guten Willens, sondern in verschiedenen historischen Gegebenheiten und nicht zuletzt, wenn wundert’s, auch an der sittlichen Schwäche der menschlichen Natur. Grundsätzlich aber hat sich die katholische Kirche sehr wohl gegen die betreffenden Übel gewehrt und hat sich eben nicht willenlos ihrem drohenden Schicksal überlassen!
Ähnliches ist auch zu jenen Missständen (des 15./16. Jahrhundert) innerhalb der Kirche zu sagen, welche ja dazu beigetragen haben, dass die protestantischen “Reformation” Luthers so rasche Verbreitung fand. Die vom Glauben der apostolischen Kirche abweichenden theologischen Anliegen Luthers waren zunächst seine rein persönliche religiöse Angelegenheit. Allerdings fanden sie dann Nahrung auch im so genannten Ablassstreit, zu welchem negativ beigetragen haben die verkehrten und den Glauben der Kirche auf keinen Fall wiedergebenden Anschauungen eines Johann Tetzel. Dieser fungierte als Ablassprediger und vertrat Ansichten, wodurch sich der Ablass von diesseits orientierten Menschen gegen den ursprünglichen Sinn der Kirche sehr leicht zum Zweck eines reinen Gelderwerbs missbrauchen ließ.
Daraus entwickelte sich eine Eigendynamik, der Protestantismus gewann “bald eine ungeheure kirchliche und politische Tragweite. Sie wurde jedoch nicht, was die Führer des christlichen Volkes schon lange dringend verlangt hatten, eine Abstellung der kirchlichen Missbräuche ohne Änderung der Glaubenslehre und Verfassung, eine wirkliche Reform der Kirche ‘an Haupt und Gliedern’ unter Wahrung ihrer unveränderlichen Grundlage, sondern eine vollständige Umwälzung ihres Bestandes auf gewaltsamem Weg, eine kirchliche Revolution im vollen Sinne des Wortes. Sie öffnete dem religiösen Individualismus die Türe und bedeutete daher, wenngleich Luther und seine Anhänger an den Grunddogmen des Christentums festhielten, letzten Endes den Sieg des religiösen Subjektivismus gegenüber der Bindung der Gläubigen an die objektiv gegebenen Autoritäten des Dogmas, der Sakramente und der Hierarchie. Diese verhängnisvollen Konsequenzen der Neuerung traten allerdings erst in der Aufklärung des 17. und 18. Jahrhunderts mit voller Deutlichkeit hervor.”4
Aber die katholische Kirche hat sich wiederum nicht einfach so damit abgefunden, sondern auf gesunde Weise und in Entsprechung zum überlieferten Glauben reagiert. Diese Gegenwehr gegen jene Missstände, welche leider ebenfalls einen Beitrag zur Verbreitung der protestantischen Häresie “geleistet” haben, bestand zunächst im Neuaufschwung des Ordenslebens. Noch vor dem Konzil von Trient wurden solche namhafte Gründungen vorgenommen wie die des “Oratoriums der göttlichen Liebe”, der Theatiner, der Kapuziner und der Barmherzigen Brüder.
Als die bedeutendste Ordensgründung jener Zeit ist wohl eindeutig die der “Gesellschaft Jesu”, der Jesuiten, zu bezeichnen. “Der Jesuitenorden warf sich, durch päpstliche Privilegien begünstigt, mit hinreißender Kraft auf das ihm zugewiesene Gebiet der Seelsorge, der inneren und äußeren Mission (der Heidenmission seit 1540), der Liebestätigkeit, der Erziehung und des Unterrichts der Jugend, und nicht zum wenigsten auch auf die Pflege der theologischen Wissenschaft. ... In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war er die stärkste Stütze der katholischen Reformbewegungen, in Deutschland die treibende Kraft der Gegenreformation und Restauration. ...So fügten es doch die Zeitverhältnisse, dass dieser Orden der stärkste Widerpart des deutschen Luthertums wie auch des romanischen Calvinismus geworden ist, was ihm freilich die heftige und andauernde Befehdung durch das protestantische Lager zuzog. Es war vornehmlich der Tüchtigkeit und Hingebung der Jesuiten zu verdanken, dass im Süden und Westen Deutschlands die religiöse Neuerung zurückgedrängt und verlorenes Gebiet wieder zurückerobert wurde.”5
Theologisch eingeleitet und begleitet wurde diese Phase der katholischen Gegenreformation durch die großartige Leistung des Konzils von Trient (1545-1563), welches sowohl die kirchliche Glaubenslehre in zahlreichen vom Protestantismus bestrittenen Punkten herausarbeitete und präzisierte als auch die protestantische Irrlehre selbst theologisch als einen gewaltigen Bruch mit der gesamten apostolischen Glaubenstradition entlarvte!
Zur entsprechenden Bewertung dieser mühsamen wissenschaftlichen Arbeit des Konzils von Trient tragen zweifelsohne auch die vielen guten Früchte und positiven Folgen auf dem Gebiet der Belebung des kirchlichen Lebens bei. Wie viele große und bekannte Heilige wurden denn nicht alles hervorgebracht: so z.B. Theresia von Avila, Johannes von Kreuz, Karl Borromäus, Philipp Neri, Kamillus von Lellis, Franz von Sales, Johanna Franziska Frémiot, Vinzenz von Paul, Johannes Eudes! Und wie viel segensreiche Arbeit im Dienste Gottes, der Kirche und der Mitmenschen haben denn nicht jene Orden und Kongregationen geleistet, welche teilweise von einigen dieser Heiligen ins Leben gerufen und geleitet worden sind! Dies kann man hier nicht alles auflisten. Das alles ist nicht nur dem Willen zur Besinnung auf den Willen Gottes und die Lehren der Kirche zuzuschreiben, sondern stellt auch eine Art positives Aufbegehren der katholischen Kirche gegen die schlimmen protestantischen Irrtümer dar!
3. Gegen die Gefahren von außen.
Sich wehrhaft erwiesen hat sich die katholische Kirche im Lauf der Geschichte aber nicht nur auf dem Gebiet der Moral, Theologie und Glaubenspraxis, sondern auch auf dem Sektor des öffentlichen Lebens und der Politik. Ob es sich nun um das Byzantinische Kaiserreich oder das Sacrum Romanum Imperium des Westens handelte, man fasste sich als eine christliche Gesellschaft und als ein christlicher Staat auf und legte daher ausdrücklich Wert darauf, dass die edlen Prinzipien des christlichen Glaubens auch im gesamtgesellschaftlichen wie politischen Bereich ausschlaggebend seien. Der Kaiser war der weltliche Schutzherr der Christenheit und hatte sie daher auch und gerade vor äußeren Feinden zu beschützen.
Selbstverständlich wurde dabei nicht alles optimal umgesetzt, sicher nicht jede Maßnahme der Herrschenden entsprach den hehren Idealen des Christentums. Aber für uns hier ist der Grundgedanke wichtig, von welchem man sich damals leiten ließ, zumal sich doch gerade die modernen westlichen auf den liberal-freimaurerischen Grundsätzen aufgebauten und die Menschenrechte ach so laut proklamierenden Staaten ebenfalls einer ganzen Menge Unvollkommenheiten, Ungerechtigkeiten und Verbrechen anzuklagen hätten!
Die heutigen Freigeister mögen es zwar nicht nachvollziehen (wollen), aber den Menschen und eben auch den Herrschenden damals war es nicht egal, ob nämlich das Christentum wie auch immer bedroht oder die Christenheit irgendeiner Gefahr ausgesetzt wurde oder nicht! So wurde z.B. das Byzantinische Reich seit dem Ausgang des 6. Jahrhunderts wieder von schweren Prüfungen heimgesucht. “Die Avaren und Slaven überfluteten den Balkan und bedrohten Konstantinopel, die Perser verheerten Syrien und Ägypten und drangen in Kleinasien bis zum Bosporus (Chalcedon) vor. Es gelang dem tapferen Kaiser Heraklius (610-641), dem Gründer einer neuen Dynastie (610-717), in neunjährigem heiligem Kampf die Perser zu überwinden, Jerusalem und das geraubte Kreuz des Herrn zurückzugewinnen (628/629).”6
Es ging hierbei nicht allein um das rein politische Geschäft, welches da natürlich auch verfolgt wurde, sondern auch und oft genug vor allem um den Glauben! Denn wenn heidnische Völker, vor denen man sich oft wegen ihrer Grausamkeit und brutalen Rücksichtslosigkeit fürchtete, ein Land überfallen, dann zerstören sie in der Regel auch das christliche Leben dort bzw. zwingen die Gläubigen entweder in die Sklaverei oder verleiten sie anderweitig (teilweise mit purer Gewalt) zum Abfall vom christlichen Glauben. Und im Fall des Kaisers Heraklius ging es auch noch um das von den Persern geraubte Kreuz, auf welchem unser Herr und Heiland Jesus Christus für unsere Sünden litt. Es war also ausdrücklich ein religiöses Anliegen, von welchem der Kaiser beseelt war, diese kostbare Reliquie der Christenheit aus der Hand der Heiden zurückzugewinnen! Wem der christliche Glaube heilig ist, der versteht dies...
Ähnliches ist auch zu den Kreuzzügen zu sagen. “Die Kreuzzüge sind großartige kriegerische Unternehmungen des christlichen Abendlandes zur Wiedereroberung Palästinas, hervorgegangen aus den seit alters beliebten Pilgerfahrten zu den heiligen Stätten und aus der im 10./11. Jahrhundert aufkommenden, in Spanien bereits verwirklichten Idee des heiligen Krieges gegen die ‘Ungläubigen’, die erst um 1200 langsam dem Gedanken der Heidenbekehrung Platz macht. Getragen wurden diese Unternehmungen durch die allseitige Verchristlichung infolge der Reformbewegung, ermöglicht durch Ausbildung eines eigenen kriegerischen Standes im Abendland, des Rittertums, dessen Tatendrang von der Kirche auf religiöse Ziele gelenkt wurde.
Auch nach der Besitznahme des Heiligen Landes durch die Muhammedaner (637) hatten die Wallfahrten dorthin, wenngleich mannigfach erschwert, ihren Fortgang. Als aber im 10. Jahrhundert die persisch-arabische Dynastie der Fatimiden die Herrschaft über Ägypten und Palästina erlangte und als vollends 1070/1071 Syrien und Palästina in die Hände der rohen seldschukischen Türken gerieten, wurde die Lage weit schlimmer. Die einheimischen Christen erfuhren Bedrückung und Misshandlung, die Pilger waren ihres Lebens nicht mehr sicher. Man empfand diesen Zustand im Abendland als eine Schmach für den christlichen Namen. Daher wurde der Plan, das Heilige Land den Sarazenen zu entreißen und eine christliche Herrschaft dort wieder aufzurichten, im Abendland immer lebhafter erwogen.”7
Wenn heute z.B. in Deutschland von den Kreuzzügen geredet wird, werden ausschließlich deren negative Erscheinungen zur Sprache gebracht - leider war da tatsächlich einiges an abzulehnendem Unrecht, an durch nichts zu rechtfertigendem Töten (Mord), an grobem Missbrauch des christlichen Namens und des ursprünglichen Ideals der Kreuzzüge zum Zweck der eigenen Bereicherung usw. zu beklagen gewesen. Nur ist es höchst seltsam, ja zutiefst bedenklich, dass bei dieser Diskussion weder die betreffende konkrete historische Vorgeschichte bzw. die massiven und harten Repressalien der Moslems gegen die Christen noch der historische Anlass bzw. die eigentliche Idee, welche somit hinter den Kreuzzügen stand, hinreichend zur Sprache kommen. Jedenfalls sehen wir wieder, dass sich die Christenheit sehr wohl gegen das ihr zugefügte Unrecht zu wehren wusste, weil ihr nämlich der Name Christi heilig war und sie ihn nicht entehren lassen wollte!
Ähnliches lässt sich auch sagen über das Verhalten der katholischen Christenheit, als sie nämlich ab dem 16. Jahrhundert vital der vorrückenden türkisch-moslemischen Bedrohung ausgesetzt wurde. Über den hl. Papst Pius V. heißt es in der Kirchengeschichte: “Ein besonderes Verdienst erwarb sich der Papst, die alte Tradition des heiligen Stuhles weiterführend, um die Verteidigung der Christenheit gegen die so gefährlich vordringende islamitische Macht. Im gleichen Jahre, wo die Türken Cypern, das letzte christliche Bollwerk in der Levante, eroberten (August 1571), gelang es seinen unablässigen Bemühungen, die spanische und venezianische Flotte zu einer gemeinsamen Unternehmung zu vereinigen. Der glänzende Seesieg über den Halbmond bei Lepanto im Golf von Korinth am 7. Oktober 1571 unter der Führung des Don Juan d’Austria, eines Halbbruders Philipps II., rief im Abendland einen ungeheuren Jubel hervor.”8
Ein Jahrhundert später musste man sich wieder gegen den Islam in der Gestalt der Türken wehren: “Außerdem machte ihm (Papst Innozenz XI. - Anm.) namentlich das erneute Vordringen der Türken, in deren Hand Kandia (Kreta) gefallen war (1669), schwere Sorgen. Während der König von Frankreich mit den Türken geheime Beziehungen unterhielt, ja sie zum Kriege gegen Polen und Österreich reizte, bemühte sich der Papst hingebend und opferbereit, das schwer bedrohte Österreich zu unterstützen und die christlichen Fürsten zur gemeinsamen Abwehr des Erzfeindes zu sammeln. Er brachte auch trotz der französischen Intriguen schließlich ein Bündnis zwischen dem Kaiser Leopold I. (1658-1705) und dem Polenkönig Johann III. Sobieski zustande (1683). So gelang es, das belagerte Wien durch deutsche und polnische Truppen zu entsetzen und am Kahlenberge am 12. Sept. 1683 einen herrlichen Sieg über die Türken zu erringen, der in seiner epochalen Tragweite etwa mit jenem Karl Martells über die Araber bei Tours und Poitiers im Jahre 732 zu vergleichen ist. Bald wurde auch Ofen zurückerobert (1686) und die türkische Herrschaft in Ungarn gebrochen. ... Von den späteren Päpsten hat vor allem Klemens XI. die Abwehr gegen die Türken tatkräftig unterstützt und so zu den Siegen Prinz Eugens von Savoyen bei Belgrad und Peterwardein (1715) nicht wenig beigetragen.”9
Zum Dank für die Hilfe des Himmels, und hier speziell der Muttergottes, zu welcher nämlich inständig gebetet wurde, hat Papst Gregor XIII. am 7. Oktober das Fest des hl. Rosenkranzes zum Andenken an die betreffenden Siege bei Lepanto eingeführt. Dieses Fest wurde dann, konkret nach dem Sieg bei Peterwardein, von Papst Klemens XI. auf die ganze Kirche ausgedehnt. Und das Fest Mariä Namen am 12. September wurde von Papst Innozenz XI. zum Dank für die Befreiung Wiens aus der Türkengefahr im Jahre 1683 für die ganze Kirche vorgeschrieben.
Zu erwähnen wäre in diesem Zusammenhang auch das Fest der hl. Jungfrau von der Erlösung der Gefangenen vom 24. September, welches eingeführt wurde zur Erinnerung an die Gründung des Ordens der Mercedarier im 13. Jahrhundert. Diese Gemeinschaft widmete sich ganz besonders der Aufgabe, christliche Sklaven aus der Gewalt der Sarazenen loszukaufen, welche damals den größten Teil Spaniens eroberten, wodurch auch zahlreiche Christen der Gefahr ausgesetzt waren, den christlichen Glauben zu verleugnen und somit das ewige Heil zu verlieren.

(Fortsetzung folgt)

P. Eugen Rissling

1 Bihlmeyer, Tüchle, Kirchengeschichte. Verlag Ferdinand Schöningh Paderborn 1962, Band II, S.220f.
2 Ebd., S.234.
3 Ebd., S.304f.
4 Bihlmeyer, Tüchle, Kirchengeschichte. Verlag Ferdinand Schöningh Paderborn 1961, Band III, S.6f.
5 Ebd., S.98f.
6 Bihlmeyer, Tüchle, Kirchengeschichte. Verlag Ferdinand Schöningh Paderborn 1962, Band I, S.305f.
7 Bihlmeyer, Tüchle, Kirchengeschichte. Verlag Ferdinand Schöningh Paderborn 1962, Band II, S.197f
8 Bihlmeyer, Tüchle, Kirchengeschichte. Verlag Ferdinand Schöningh Paderborn 1961, Band III, S.115.
9 Ebd., S.215f.


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